Freundeskreis keramischer Münzen und Medaillen
Porzellan- und Keramiknotgeld
Kurzer Abriss zu seiner Geschichte in Deutschland 1917 bis 1923
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 kam der Hartgeldverkehr ins Stocken. Die Knappheit an baren Zahlungsmitteln wurde zur Not. Dem zu begegnen, schritt man zur Ausgabe von Notgeld. Die Reichsbank verausgabte Darlehns-kassenscheine und setzte Zink- und Eisenmünzen in Umlauf. Bald beteiligten sich Gemeinden, Provinzialverbände und größere industrielle Unternehmungen an der Ausgabe von Notgeld, um der dauernden Knappheit an Zahlungsmitteln selbst zu begegnen. Der schnellen Abnutzung des Papiers folgten Neuauflagen, dann auch Notmünzen aus Metall und erste Ausgaben auch aus Porzellan und anderen keramischen Werkstoffen.
Wie der frühere Direktor des Berliner Münzkabinetts, Julius Menadier, 1921 in einem Artikel schrieb, verlor dieses Papiernotgeld allmählich völlig seinen Geldcharakter, wurde eine Ware, die angepriesen, gehandelt und zu möglichst hohen Preisen verkauft und weiterverkauft wurde. Das traf auch auf das Porzellan- und Keramiknotgeld zu.
Bis auf wenige Ausgaben, die tatsächlich im Zahlungsverkehr zeitlich begrenzt eingesetzt wurden, handelt es sich bei diesen Notgeldmünzen in den überwiegenden Fällen um so genanntes ‚Neppgeld’. Das heißt, diese Münzen wurden als echt unter dem Vorwand, seines besonderen Materials wegen seltenes Notgeld zu sein, an Sammler verkauft. Vielfach geschah das gleich in passenden Etuis. Betrachtet man die materialseitige Beschaffenheit der meisten Stücke, ihre künstlerische und technische Ausführung sowie Größe und Dicke, so wird deutlich, dass solches Geld auch nicht als Notbehelf hätte Verwendung finden können. Nur wenige Beispiele stehen dem als Ausnahme gegenüber.
Die immer krasser um sich greifenden Erscheinungsformen der Inflation spiegeln sich auch in dieser Form von Notgeld wider. Die ständige Erhöhung der Nennwerte verdeutlicht diese Tendenz recht anschaulich.
Die erste Ausgabe können wir ins Jahr 1917 datieren, in dem die Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. in Selb (Bayern) für ihre betrieblichen Zwecke Kleingeldersatzmarken zu 10 Pfennig verausgabte (Abb.1).
1920 ließ die Stadt Gotha (Thüringen) von der Porzellanfabrik Pfeffer in Gotha ein Notgeldstück zu 50 Pfennig herstellen (Abb. 2). Das Material war so genanntes Pfeffer-Porzellan. Die Farbpalette reichte von weiß bis zu mehreren Varianten grauer bis graugrüner Masseeinfärbungen. Die Stücke waren als städtisches Notgeld vorgesehen. Material und Prägetechnik waren jedoch dazu ungeeignet. Wegen der schlechten Qualität wurde versucht, die Stücke an Sammler zu verkaufen. Absatzschwierigkeiten führten letztlich zur Einstellung der Produktion. Die Stadt Gotha ließ an ihrer Stelle 1921 in der Staatlichen Porzellan Manufaktur Meißen neue Münzen herstellen.
Zu diesen Versuchen gesellten sich verstärkt ab 1921 noch andere keramische Fabriken. Die Meißner Ofen- und Porzellanfabrik, vormals Teichert Meißen, ließ durch ihre Filiale Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) für die Stadt Bitterfeld
1- und 2-Markstücke in weißem und braunen Porzellan anfertigen (Abb. 3). Sie machte diese Stücke der Stadt unent-geldlich zum Geschenk. Die Stücke wurden mit einem Aufpreis an die Sammler verkauft.
Die Bunzlauer Keramischen Werkstätten Reinhold & Co. In Bunzlau (heute Bolesławiece, Republik Polen) fertigten aus Bunzlauer Keramik so genanntes ‚Stadtgeld’, das aber niemals als Notgeld eingesetzt wurde. In umfangreichen Inseraten wurden die Stücke zu 5, 10, 25 und 50 Pfennig mit einem Aufschlag von 100 % angepriesen. Deshalb stand diese Ausgabe auch in den Notgeldzeitschriften auf der so genannten ‚Schwarzen Liste’ und galt schon damals bei den Sammlern als ‚Neppgeld’ Abb. 4).
Von der Deutschen Ton- und Steinzeugwerke A.G. Charlottenberg (Berlin) wurden aus grünem Steinzeug 1921 Werte in den Nominalen zu 1, 2, 3 und 5 Mark verausgabt. Die undekorierten Stücke tragen den Hinweis „Nur bis 31. Dezember 1921 einlösbar“(Abb. 5).
Auch Ton fand zur Münzherstellung Verwendung. So fertigte die Ziegelei III in Koog für Elmschenhagen (Schleswig-Holstein) 1921 gleich eine Serie von sechs verschiedenen Notmünzen zu 25 und 50 Pfennig, 1, 2, 5 und 10 Mark. Sie sind meist durch den Brand ungleichmäßig in der Farbe, zeigen Ausbrüche oder Brandrisse. Als Notgeld waren solche Münzen nicht einsetzbar. Sie wurden ausschließlich an Sammler verkauft (Abb. 6).
Ein weiteres Beispiel für Ton ist die Gemeinde Höhr im Westerwald (Rheinland-Pfalz). In den dortigen Töpfereien wurden 1921 Stücke zu 25, 50 und 75 Pfennig in verschiedenen Farbserien hergestellt. Obwohl sie als Notgeld der Gemeinde gekennzeichnet sind, waren sie als Zahlungsmittel nie im Umlauf. Sie wurden von den ambulanten Händlern, die mit Töpferwaren im Lande umherzogen, mit angeboten. Da ihre Qualität nicht immer die beste war, wurden sie, um die Mängel besser zu verdecken, auch in zusammengestellten Farbserien in Etuis angeboten (Abb. 7).
Die von der Wächtersbacher Steingutfabrik in Schlierbach (Hessen-Nassau) hergestellten Nominale zu 10 und 50 Pfennig und 1 Mark 1921 erwecken den Anschein von evtl. für den Zahlungsverkehr vorgesehenen Notmünzen. Im Durchmesser und Dicke waren sie damals gebräuchlichen Stücken angepasst. Über ihre eigentliche Verwendung konnte jedoch bisher nichts in Erfahrung gebracht werden (Abb. 8).
Ebenso verhält es sich bei den Porzellanmünzen von Stadtlengsfeld (Thüringen). Die von der dortigen Porzellanfabrik 1921 hergestellten drei Nominale zu 25 und 50 Pfennig in runder und zu 1 Mark in achteckiger Form in drei verschiedenen Farbtönungen lassen vermuten, dass sie nur für Sammelzwecke angefertigt worden sind (Abb. 9).
Die von der Ludwigsburger Porzellanfabrik (Württemberg) 1921 angefertigten 5 Markstücke wurden von der Stadt Stuttgart offiziell als Souvenir beim Besuch des Schlosses Ludwigsburg verkauft (Abb. 10).
Die Stadtverwaltung von Waldenburg in Schlesien (heute Wałbrzych, Republik Polen) beauftragte die dort ansässige Krister Porzellan-Manufaktur 1921 mit der Herstellung von Porzellanmünzen in den Nominalen zu 20 und 50 Pfennig sowie zu 1 Mark. Es wurden mehrere Ausführungen in Motiv und Farbnuancen aufgegeben. Der Verkauf diente ausschließlich der Aufbesserung der städtischen Finanzen (Abb. 11).
Ende 1919/Anfang 1920 hatte die Staatliche Porzellan Manufaktur Meißen (Sachsen) die Idee zur Herstellung von Porzellannotgeld aufgegriffen. Besonders seit 1921 wurde die Produktion auf so vielfältige Weise entwickelt, dass wahre Kleinkunstwerke durch Emil Paul Börner entstanden. Sie heben sich qualitativ ganz klar von denen anderer Firmen ab. Auch diese Ausgaben dienten jeweils unterschiedlichsten Verwendungszwecken.
Zunächst unterbreitete die Meißner Manufaktur dem Reichsfinanzministerium Ende 1919 den Vorschlag, Notgeld für das gesamte Deutsche Reich aus Böttgersteinzeug® herzustellen. Die sieben Stücke umfassende Serie zwischen den Nominalen von 10 Pfennig bis 5 Mark wurden jedoch vom Reichsbankdirektorium abgelehnt. So blieb es bei den Probestücken aus Biskuitporzellan und Böttgersteinzeug®, die zuerst mit liegenden, dann mit stehenden Kurschwertern in der Gipsform gefertigt worden waren. Restbestände und die spätere Neuanfertigung solcher Probestücke wurden zunächst an interessierte Kunden, später aber auch an Sammler abgegeben (Abb. 12).
Die Ablehnung durch das Reich bewirkte, dass Probestücke für den Freistaat Sachsen dem sächsischen Finanz-ministerium vorgelegt wurden. Die Motive wurden verworfen, die Idee aber nicht (Abb. 13).So kam es zu einer ganzen Reihe von Entwürfen für Sachsen, bis der häufigste Porzellannotgeldsatz, die Stücke zu 20 und 50 Pfennig, zu 1 und 2 Mark sowie zu 5, 10 und 20 Mark mit der Jahreszahl 1921 in Großserie in Meißen in Auftrag ging. Das geschah alles gegen den Willen des Reiches. Schließlich einigten sich jedoch beide Parteien, und Sachsen durfte in Höhe bis zu fünf Millionen Mark prägen. Während die Scheidemünzen bis zu 2 Mark (Abb. 14 bis 17) das gesamte Jahr 1921 in Sachsen durch öffentlichen Aufruf zahlungsfähig waren, galten die Stücke zu 5, 10 und 20 Mark von 1921 und der gesamte Satz von 1920 nur als Sammelobjekte. Die meisten Münzen verschwanden allerdings schnell in Sammlerhände. Nur wenige musste der sächsische Staat wieder einlösen.
Das Vorhaben der Porzellan Manufaktur und die Unterstützung durch den sächsischen Staat riefen parallel dazu und in den Folgejahren Kunden auf den Plan, die für ihre unterschiedlichsten Interessen der Manufaktur Aufträge zur Münzherstellung übergaben. Allen diesen Anfertigungen gingen Probestücke aus der Gipsform voraus. Nach Bestätigung oder Abänderung entsprechend den Kundenwünschen schnitt der Münzgraveur Fritz Hörnlein die Stahlstempel, mit denen dann die bestellten Serien gefertigt wurden. Ihr Verwendungszweck reichte vom ausdrück-lichen Sammelobjekt, über den versuchten Einsatz als städtisches Wechselgeld (Notgeld) bis zu tatsächlichen Einsatz als solches. Dabei hat es den tatsächlichen Einsatz als Notgeld in den wenigsten Fällen gegeben. Dazu nur einige Beispiele:
Die Stadt Altenburg (Thüringen) betraute das Kunstgewerbehaus Schmidt mit der gesamten Angelegenheit und vereinnahmte zugunsten der Stadtkasse dann nur noch seinen Gewinnanteil (Abb. 18).
Aus Anlass der Lutherfeierlichkeiten 1921 bestellte die Stadt Eisenach (Thüringen) eine Luthermünze zu 1 Mark. Das Stück wurde zu einem der häufigsten Porzellannotgeldstücke, denn es wurden davon 154 000 Stück hergestellt. Durch die Besucher Eisenachs ging dieses Stück in die ganze Welt. Es hatte keine Zahlungsfähigkeit. Der Erlös diente der Unterstützung dieser Feierlichkeiten und später der Aufbesserung der Stadtfinanzen (Abb. 19).
Das Gothaer 50-Pfennigstück aus Böttgersteinzeug® war für den tatsächlichen Notbehelf gedacht. Es wurde von der Stadtkasse als Wechselgeld mit verausgabt. Die Stücke sollten später wieder eingelöst werden können. Da sie jedoch mehr und mehr in Sammlerhände verschwanden, erübrigte sich das für die Stadt (Abb. 20).
Auch für die Stadt Meißen wurden Notmünzen gefertigt. Zunächst kamen 1921 mit der Wiederaufnahme des Straßenbahnverkehrs Fahrmarken zu 30 und 50 Pfennig für zwei verschiedene Teilstrecken aus Biskuitporzellan zum Einsatz (Abb. 21 und 22). Ebenfalls aus Porzellan wurde von der Unterstützungskasse der Stadt 1921 sogenanntes Erwerbslosengeld in den Nominalen zu 5, 10 und 20 Mark in den Verkehr gebracht. Die das Geld an Zahlungsstatt annehmenden Händler konnten es wieder bei der Stadthauptkasse einlösen oder verrechnen lassen (Abb. 23).
Beide vorgenannten Münzsorten wurden aber immer mehr zum Sammelobjekt. Deshalb entschloss sich die Stadt Meißen, diese Stücke mit der gleichen Jahreszahl nochmals ab 1922 jeweils in Böttgersteinzeug® auflegen zu lassen und die Serie um die Stücke zu 1, 2 und 3 Mark zu erweitern. Diese Ausgaben dienten nun ausschließlich als attraktives Souvenir für Touristen.
Ebenfalls begrenzt im Einsatz war die Fahrmarke zu 40 der Hamburger Hochbahn A.G. Ihr Einsatz bewährte sich jedoch nicht. Für die Wechselgeldautomaten der Schaffner waren diese Münzen ungeeignet. Häufig auftretender Bruch durch Herunterfallen war letztlich der Grund für den Ersatz der Böttgersteinzeug®-Fahrmarke durch metallene Fahrmarken (Abb. 24).
Den meisten Herausgebern von Porzellannotgeld ging es nur um das Geschäft. So verausgabte die Stadt Münsterberg in Schlesien (heute Ziębice, Republik Polen), nachdem ihre Stücke von 10 bis 50 von 1921 einen guten Verdienst gebracht hatten, 1922 neue Münzen in den Wertabstufungen zu 1, 2, 5 und 10 Mark. Die Stadt Schleiz brachte 1922 über ihren Mittelsmann, den Porzellannotgeldgroßhändler Max Oertel, Dresden, einen Satz im Nennwert zu 38,50 Mark in Porzellan und Böttgersteinzeug® heraus.
Ebenfalls zur Aufbesserung der Finanzen der Amtshauptmannschaft Luckau erschienen für den Kreis Luckau sowohl in Porzellan als auch in Böttgersteinzeug® zwei Nennwerte zu 50 und 75 Pfennig (Abb. 25).
Nach dem Notgeldverbot vom 17. Juli 1922 war die Herstellung jeglichen Notgeldes durch den Staat verboten worden. Die Ausgabe von Porzellan- und Keramiknotgeld war damit keineswegs schlagartig eingedämmt. Die Wertbezeich-nungen wurden entweder durch andere Symbole, wie zum Beispiel im Kreis Luckau durch ein Eichenblatt mit Eicheln, Schleiz durch eine Rosette ersetzt oder direkt weggelassen wie bei den höheren Werten der Schlierbacher Prägungen. Gegen Ende des Jahres 1922 wurden dann auch diese Produktionen eingestellt (Abb. 26). Die Meißner Manufaktur stellte 1923 nur noch für ihren Eigenbedarf eine innerbetriebliche Kantinenwertmarke in Porzellan und Böttgerstein-zeug® her. Diese Wertmarke trägt die Inschrift ’FÜR EINEN TOPF KAFFEE’ (Abb. 27).
Bei dem Porzellannotgeld der Gemeinde Görzke (Sachsen-Anhalt) über ‚EINE HALBE MILLION“ handelt es sich offen-sichtlich nur um Probestücke von 1923 (Abb. 28).
Den letzten Versuch, mit keramischem Material Notgeld vorzutäuschen, stellen die Majolikamünzen dar. Von 1922 bis 1923 erhöhten sich die Nennwerte von 10 bei Gaildorf bis 500 bei Marbach am Neckar. Die Wertbezeichnung wurde weggelassen. Die in den Württembergischen Majolika-Werken in Gaildorf hergestellten Stücke stellen lediglich Erinnerungsprägungen an historische Ereignisse Württembergs dar. Um den Verkauf attraktiver zu gestalten, wurden sie ausschließlich in drei verschiedenen Farben und nur in Etuis abgegeben. Den Verkauf übernahm ein General-beauftragter (Abb. 29 und 30).
Mit Einführung der Rentenmark in Deutschland am 1. November 1923 verschwanden weitere Ausgaben solchen Notgeldes.
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Mit der organisatorischen Führung des Freundeskreises sind Christian Beyer und Eberhard Friedrich beauftragt:
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